Hellas Rally 2019

Dezember 02, 2022 3 Translation missing: de.blogs.article.read_time

Hellas Rally 2019

Es ist einfach nicht zu glauben, ich muss mich doch versehen und in den Zeiten verrechnet haben, das ist bestimmt der Schlafentzug der letzten Wochen.

In etwa so waren meine Gedanken am letzten der insgesamt sieben Fahrtage der Hellas Rally 2019 in Griechenland, Karpenissi. Aber es stimmt, 41 Minuten Vorsprung zum nächsten Fahrer meiner Wertungsklasse. Somit musste ich am letzten der sieben Wertungs- und Fahrtage „einfach“ nur noch unbeschadet ins Ziel rollen.

Aber zurück zum Anfang. Wir schreiben die Zeitrechnung zwei Wochen vor meiner ersten Rallye als junger Rallye Fahrer. An meiner neu aufgebauten Suzuki DR 650 Rallye Baujahr 1993 muss allerdings noch viel Hand angelegt werden. Erst einmal alles raus was unnötig, also zum Erhalt der Straßenzulassung ist. Außerdem würde dieser unnötige Ballast im schlimmsten Fall ja nur kaputt gehen. Als nächstes auf der Liste steht eine neue Kupplung, zwei neue Kipphebel und eine neue Nockenwelle. Zudem kommen noch Crossreifen mit speziellem Rallye Mousse, eine neue Bremsscheibe und das Neuverdrahten des Kabelbaumes für die Navigationsinstrumente hinzu.

Man gewöhnt sich irgendwann dann auch an wenig Schlaf. Zumindest rede ich mir dies immer wieder ein. Denn sieben Tage im Rallyemodus erfordern sowieso Durchhaltevermögen, also: Train hard or go home... oder doch eher work hard? Jedenfalls standen am Tag der Abreise mittags alle drei Rallyemotorräder des Hessler Rallye Teams perfekt für die anstehenden Strapazen bereit. Neben meinem Motorrad waren eine Suzuki DR Big Rallye und ein Suzuki V-Strom Dessert Express Rallye Raid Prototyp im Team dabei. Jetzt heisst es doppelt so schnell schlafen wie sonst, damit wir am nächsten Morgen die 2200km nach Griechenland an einem Stück abfahren können.

Dann war es plötzlich aber auch endlich soweit, der erste Fahrtag, ich bin so nervös! Um das Fahrerfeld zu sortieren und eine Startreihenfolge festzulegen, starten wir in den Prolog. Die ersten Meter fühlen sich noch etwas schwammig und unsicher an. Allerdings war ich gerade auch ganz schön eingeschüchtert zwischen den leichten und professionellen 105kg Sportenduros gestanden. Meine rustikale DR 650 Rallye wiegt im Vergleich stattliche 160kg, ist fast 30 Jahre älter und ähnelt eher den Wüstenrallye Motorrädern aus den 90er Jahren, die unter anderem von Gaston Rahier und Co. gezähmt wurden. Nichts destotrotz fahre ich als 43. von 169 Starten durch das Etappenziel in der Altstadt Karpenissis. Fürs erste nicht verkehrt, aber ruhig Blut und ja nicht überheblich werden. Es liegen noch knapp 2000 Rallyekilometer vor mir.


 

Im Durchschnitt gibt es täglich je zwei Wertungsprüfungen von 110-140km, welche durch die sogenannte Liasson, der Verbindungsetappe getrennt werden. Wer meint, 280km am Tag fahre ich doch mit 3 Kaffeepausen in den Alpen auf der linken Arschbacke ab, sollte wissen, dass ich nach sieben Fahrtagen jede Kurve perfekt mit der Hinterradbremse anstellen, Gewicht richtung Vorderachse verlagern und mit dem Gas schön quer durch die Kurve driften konnte. Nicht weil es einfach cool aussieht, NEIN! weit gefehlt, mein Arsch tat einfach sch*** weh und es war überlebensnotwendig.

Das mit den schmächtigen Sportenduros hatte ich ja bereits am ersten Tag auf dem Schirm, aber am dritten Fahrtag wäre der Track auch etwas für waschechte Hardenduro Piloten gewesen. Meine Überlebenstaktik: Keep you wheels spinning!

Einen Tag leichtes Dahinrollen hat man uns gegönnt. Hier konnte man herrlichste Schotterpisten, Alm Bergkämme und einfache Flussdurchfahrten genießen. Das Ganze hatte einen Grund: die Marathonetappe von 450km am vierten Fahrtag. Sie hätte nicht spektakulärer sein können. Es ging nahezu ein Treppenhaus aus Serpentinen auf 2500 m.ü.NN. auf einen Berg, welcher 4 Wochen zuvor noch mit Neuschnee bedeckt war. Der Tag war technisch und navigatorisch machbar. Mehr Anspruch wäre allerdings auch nicht nötig gewesen, da der Großteil des Fahrerfeldes erst spät in der Nacht zurückkam, nachdem die Etappe abgebrochen wurde. Meine Fahrzeit betrug 12,5 Stunden und damit lag ich im vorderen Viertel des Feldes, das angekommen ist. Daraufhin wurde die zweite Wertungsprüfung des nächsten Fahrtages abgesagt. Über diese Entscheidung war ich heilfroh, da es der einzigste verregnete Tag war.

Das Highlight des sechsten Fahrtags und das, was mir am meisten Spaß gemacht hat, waren die vier tiefen Flussdurchfahrten. Drei Mal ging alles glatt, beim vierten Mal hat es platsch gemacht. Jetzt heißt es Hauptsache wieder hoch die Karre und zwar bevor Wasser in den Ansaugtrakt gerät. Noch einmal gut gegangen! Das hätte mir bei der 70cm tiefen Furt vorher nicht passieren dürfen.

Flussdurchfahrt

Aber jetzt wieder zurück zum Anfang. Der letzte Fahrtag bricht an. Nach einer Woche Testosteronüberschuss rede ich mir ständig ins Gewissen: Heute keine Fehler, nicht übertreiben, einfach nur ins Ziel rollen, du bist safe, wenn nichts weiter schief geht. Und siehe da, Abends bei der Siegerehrung stehe ich tatsächlich auf der obersten Stufe des Podests und habe bei meiner ersten internationalen Rallye den ersten Platz in der M5 Klasse geholt. Die harte Arbeit hat sich mehr als nur gelohnt und ich lasse meinen Emotionen freien Lauf und reiße freudig erschöpft meine Trophäe in die Höhe!

 


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